Der «Krieg gegen den Terror», israelische Geheimdienste und Extremisten

Ist Israel unser Freund und Alliierter, wie uns stets eindringlich vermittelt wird? Gibt es Gründe, die Aufforderungen zur grenzenlosen Solidarität infrage zu stellen? Ist Israel überhaupt das, was unumwunden behauptet wird - ein fortschrittlich-demokratischer Staat im Nahen Osten, eine Festung westlicher Werte in einer Region voller Barbaren? Seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag, an dem laut offizieller Darstellung Hamas-Terroristen Israel überraschend angriffen, polarisiert der kleine Staat am Mittelmeer stärker denn je. In den Ländern des Westens wird einerseits gepredigt, man habe (oft aufgrund der historischen Schuld) solidarisch an Israels Seite zu stehen, denn (nur) das sei menschlich. Auf der anderen Seite wird weiten Teilen der Welt­öffentlichkeit gewahr, dass die Opferrolle, die Israel für sich beansprucht, an der beispiellosen Unverhältnismässigkeit seiner «Verteidigungsakte» zerbricht. In der vorherigen Ausgabe nahmen wir den Oktober-Terror zum Anlass, unseren Lesern eine Perspektive auf Israel zu eröffnen, die sowohl im Mainstream als auch im «alternativen Mainstream» oft nicht in ausreichendem Masse präsent ist - weder in Breite noch Tiefe. Kritik an Israel bezieht sich - wenn überhaupt - meist auf isolierte Aspekte, die aufgrund ihres desaströsen Ausmasses ohnehin nicht mehr unter den Teppich zu kehren sind. Eine tiefgründigere Betrachtung, die sich keinerlei Denkschranken unterwirft, erschien uns deshalb dringend notwendig. 

Rückblick auf Teil 1 

 Bevor wir uns mit dem vorliegenden zweiten Teil der Doppelausgabe weiteren kaum bekannten und doch bedeutsamen Faktoren widmen, deren Betrachtung unerlässlich für eine fundierte Beurteilung des Staates Israel und seiner Politik ist, lassen Sie uns auszugsweise noch einmal Revue passieren, was bis hierhin Gegenstand der Untersuchung war. In Ausgabe 58 beleuchteten wir u.a. das Wirken und die Macht der Israel-Lobby in den USA. Dabei stellten wir fest, dass die nicht selten äusserst prominenten und wohlhabenden Angehörigen und Unterstützer dieser Lobby über Jahrzehnte ein weitreichendes Netzwerk aufgebaut haben. Die Israel-Lobby hat parteiübergreifend einen enormen Einfluss auf die Innen- und vor allem Aussenpolitik der Vereinigten Staaten ausgeübt - und tut dies bis zum heutigen Tag. Die Einflussnahme findet in einem solchen Ausmass zugunsten Israels statt, dass sich der kleine Wüstenstaat im Nahen Osten als der mit Abstand grösste Entwicklungshilfeempfänger von US-amerikanischen Steuergeldern etabliert hat. Laut offiziellen Angaben erhielt Israel seit seiner Gründung bereits über 300 Milliarden US-Dollar aus Washington. (1) Die grösste Organisation innerhalb der Israel-Lobby nennt sich AIPAC, was für «American Israel Public Affairs Committee» steht. Wenn AIPAC nach den US-Senats-, Kongress- und Gouverneurswahlen verkündet «Mehr als 95% der von AIPAC unterstützten Kandidaten haben gestern Abend ihre Wahl gewonnen! Pro-Israel zu sein ist eine gute Strategie und gute Politik!», dann lässt sich ihre Macht über die amerikanische Politik grob erahnen. Und wenn man dann beispielhaft erfährt, dass dem republikanischen Politiker Rand Paul zum Vorwurf gemacht wurde, 2015 bei einer Rede Netanjahus vor dem Kongress nicht enthusiastisch genug geklatscht zu haben, so wird das Bild von den Auswirkungen dieser Einflussnahme konkreter. Solche Tendenzen sind normalerweise nur aus kommunistischen Einparteienstaaten bekannt. Bei der jährlichen «AIPAC Policy Conference» in Washington, D.C. verschwinden schliesslich alle Feindseligkeiten zwischen Demokraten und Republikanern. Zumindest bei diesem Anlass sind sie sich in einer Sache einig: dass Amerika «ein starkes und dauerhaftes Interesse an der nationalen Sicherheit Israels» hat (so ausgedrückt von Hillary Clinton bei AIPAC im März 2016). Der Zustand und die Sicherheit des eigenen Landes scheinen dabei bestenfalls zweitrangig. So sagte Nancy Pelosi, ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, auf einer Konferenz der pro-israelischen Nonprofit-Organisation «Israeli-American Council» 2018 frei heraus: «Selbst wenn das Kapitol in sich zusammenfällt: Die eine Sache, die bleiben würde, wäre unsere Verpflichtung […] zur Kooperation mit Israel.»

«Krieg gegen den Terror» 

 Des Weiteren konnten wir exemplarisch am Beispiel des Irak-Kriegs aufzeigen, dass die Einflussnahme durch die Lobby nicht nur darauf abzielt, Israel zum Empfänger von Geldmitteln für seine «nationale Sicherheit» zu machen, sondern auch die tatkräftige Unterstützung des US-Militärapparates im Kampf gegen die arabischen «Feinde» in der Nah- und Mittelostregion zu gewinnen. In den Augen der Öffentlichkeit ist es stets «der Amerikaner», der an jedem Ort der Erde als «Weltpolizist» auftritt, Kriege anzettelt und dabei verbrannte Erde hinterlässt. Weniger bekannt ist jedoch, dass hochrangige jüdisch-israelische Persönlichkeiten, selbstbezeichnende Zionisten und weitere Unterstützer Israels innerhalb der USA, darunter Mitglieder des bekannten Thinktanks «Project for the New American Century» (PNAC), die Feldzüge gegen den Irak vorangetrieben und öffentlich mit erpresserischer Wortwahl als unvermeidlich dargestellt haben. In einem harschen Brief an Präsident Clinton forderten bekannte PNAC-Mitglieder 1998 die Entmachtung Saddam Husseins, und zahlreiche Persönlichkeiten aus diesem Kreis nahmen in der darauffolgenden Bush-Regierung wichtige Ämter ein. Spannend ist hierbei auch, dass der 2018 erschienene und mit Preisen überhäufte Kinofilm «Vice - Der zweite Mann» (der Titel meint den Vize-Präsidenten Dick Cheney) die diesbezügliche Realität komplett auf den Kopf stellt: Im Film wird behauptet, Frankreich, Deutschland und Israel hätten sich vehement gegen das Vorhaben der USA gestellt, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen. Aufgrund seines angeblichen historischen Wertes wurde «Vice» deutschen Schulen gar als «Bildungsfilm» empfohlen. Tatsache war jedoch, dass nur Frankreich und Deutschland den Kriegsplänen kritisch gegenüberstanden, nicht jedoch Israel. Das «Gelobte Land» feindete die europäischen Nationen dafür vielmehr stark an. «Vice» verkaufte den Zuschauern also ein skandalös falsches Bild der Geschichte. Entgegen der Darstellung des Hollywood-Filmes sagte Benjamin Netanjahu höchstselbst im September 2002 vor dem US-Kongress: «Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass Saddam Hussein zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen fortschreitet. Überhaupt gar keine Frage!» Laut Netanjahu beherberge der Irak «die Terroristen», weshalb die Invasion eine «gute Idee» und ein «Regime Change» unabdingbar sei. Heute wissen wir, dass die Behauptungen über die irakische Herstellung von Massenvernichtungswaffen nichts als Lug und Betrug waren. Dennoch wurde der Irak - ein bis dahin prosperierendes, durchaus liberales sowie mit unvorstellbar kostbaren Kulturgütern gesegnetes Land - vollständig zerstört, wobei weit über eine Million Menschen ihr Leben verloren. 

9/11 und die israelischen Geheimdienste 

 Ebenfalls gemeinhin bekannt ist, dass Israel nicht zuletzt mithilfe des US-Steuergeldes über die Jahre einen der, wenn nicht gar den besten Geheimdienstapparat überhaupt aufzubauen imstande war. Umso mehr verwundert es, dass die israelischen geheimdienstlichen Aktivitäten im Rahmen der Terroranschläge von 2001 nicht zu einer Vereitelung der Tat führen konnten. Immerhin schien irgendjemand im Umfeld Israels ein wie auch immer geartetes Vorwissen, mindestens jedoch eine Vorahnung, gehabt zu haben: Nicht nur, dass Netanjahu in seinem Buch von 1995 schrieb, «dass, wenn der Westen nicht aufwacht und die selbstmörderische Natur des militanten Islam nicht erkennt, das Nächste, was sie sehen werden, sein wird, dass der militante Islam das World Trade Center zum Einsturz bringt», wie er das Buch in einer CNN-Talkshow von 2006 sinngemäss und prahlend wiedergab. Laut einem Bericht erhielten zudem zwei Mitarbeiter der amerikanisch-israelischen Telekommunikationsfirma Odigo zwei Stunden vor dem Ereignis eine warnende Nachricht auf ihre Mobiltelefone. War dies auch bei weiteren israelischen Staatsbürgern der Fall? Immerhin rechnete die Jerusalem Post am Tag der Anschläge mit 4000 israelischen Opfern, doch tatsächlich starben ungewöhnlich wenige Israelis - laut offiziellen Stellen lediglich fünf an der Zahl. Und dann waren da noch diese ominösen Israelis, die von einer Anwohnerin dabei beobachtet wurden, wie sie wenige Minuten nach dem ersten Einschlag, auf dem Dach eines Lieferwagens tanzend, Fotos und Videos von sich mit dem brennenden Turm im Hintergrund aufnahmen. Sie wurden später als Geheimdienstmitarbeiter (!) enttarnt und sagten im November 2001 in einer israelischen Talkshow aus, dass sie das Ereignis hätten dokumentieren sollen. Offenbar handelte es sich um eine erstaunliche «Dokumentation» eines einmaligen, für einen ahnungslosen Normalbürger völlig unvorhersehbaren Ereignisses. Doch die «Tanzenden Israelis», wie sie später getauft wurden, schienen bei weitem nicht die einzigen mit Vorwissen zu sein: Laut dem britischen Telegraph wurden im Jahr der Anschläge in etwa 200 Israelis unter Spionageverdacht von den US-Behörden verhaftet. Einige von ihnen waren nachweislich Geheimdienstmitarbeiter - unter ihnen auch Mossad-Agenten, die sogar Tür an Tür mit dem «Kopf der Attentäter-Bande» Mohamed Atta gelebt hatten. Dass 9/11 in bestimmten Kreisen schon weit vor dem unheilvollen Tag ein offenes Geheimnis gewesen sein könnte, lassen auch erstaunlich genaue Details in mehreren Hollywood-Blockbustern des jüdischen Produzenten Arnon Milchan (Fight Club, Medusa Touch) vermuten. Dieser ist wiederum enger Freund von Israels Premierminister Netanjahu und war vor seiner Hollywood-Karriere israelischer Top-Spion. Sein Aufgabenbereich umfasste Geldwäsche, das Schmuggeln von Nukleartechnologie aus den USA und das Führen von Bankkonten zur Durchführung von Geheimdienstoperationen. Der bereits erwähnte Thinktank «Project for the New American Century» wurde wohl am berühmtesten durch sein im Jahr 2000 publiziertes Strategiepapier «Rebuilding Americas Defenses», in welchem die Autoren aussagten, dass nur ein «katastrophales Ereignis», welches als «Katalysator» dient, dafür sorgen könne, Amerikas Vormachtstellung auszubauen. Sie sprachen konkret von einem «neuen Pearl Harbor». Wenige Monate vor 9/11 kam dann ein Film über das originale Pearl Harbor in die Kinos, der den Zuschauern nochmals die Dramatik des Angriffes in Erinnerung rief. Am 11. September schliesslich kam es dann tatsächlich zu einem derart «katastrophalen Ereignis». Die dadurch provozierten politischen und militärischen Massnahmen sind bekannt - und spielten gewissen Interessengruppen mehr als in die Karten. Unsere Zusammenstellung dieser und zahlreicher weiterer Fakten ergab letztlich ein Bild, das dazu verleitet zu spekulieren, ob Israel zugewandte bzw. den Zionismus unterstützende Akteure mit ihrem Handeln entscheidend an den Geschehnissen beteiligt waren. 9/11 war schliesslich Anlass, ganze Nationen im arabischen Raum zu zerbomben und zu besetzen. Welche Vorteile die Araber (also die angeblichen Drahtzieher und Täter) dadurch hatten, kann bis heute niemand wirklich erklären. Profiteure stachen dennoch hervor: Explizite Erklärungen, 9/11 würde Israels Staatspolitik in die Karten spielen, gab es von hohen Exponenten einige. So sagte bspw. der damalige Mossad-Chef Efraim Halevy in Bezug auf die Anschläge vom 11. September: «Offensichtlich hat Israel profitiert. Die jüdischen Menschen profitierten.» Und auch Netanjahu äusserte offen, dass die Terroranschläge gut für Israel gewesen seien. 
 

Gefährliche Extremisten 

 Die im ersten Teil der Doppelausgabe zahlreich dargelegten Sachverhalte, die wir hier auszugsweise rekapitulierten, mögen bereits schockieren und Fragen aufwerfen. Um dem «Gelobten Land» eine feindliche Gesinnung gegenüber seinen engsten Verbündeten zu unterstellen, liegen allerdings weitere, gravierendere Tatsachen vor. Innerhalb des israelisch-jüdischen Weltbildes existiert eine radikale, jedoch einflussreiche Strömung, die eine fundamentale Unterscheidung zwischen der eigenen Gruppe und Aussenstehenden (Menschen mit anderweitiger Herkunft oder Glaubensrichtung) vornimmt. Im vorliegenden zweiten Teil werden Belege erbracht, dass einflussreiche Personengruppen innerhalb Israels bereit sind, auf dieser Grundlage zu handeln, um sich auf Kosten der «anderen» eigene Vorteile zu verschaffen und die «eigene Sache» voranzubringen. Es werden klare Beweise dafür folgen, dass der israelische Staat bereits vorsätzliche Terrorakte durchführte, die eng mit diesen religiös begründeten Vorstellungen verknüpft sein könnten. Diese Anschläge wurden oft gegen den Westen begangen - unter Missachtung jeglicher Freundschaftsbekundungen. Eine solche Haltung mag bei radikalen Islamisten plausibel erscheinen, jedoch kaum bei einem fortschrittlichen Staat, der unsere westlichen, universalistischen Werte teilt und sich als enger Freund und Verbündeter bezeichnet. (tk) Quelle: 1. thehill.com, US should rethink its uncritical loyalty to Israel, 26.12.2023

Einleitungsartikel von Tilman Knechtel für die Ausgabe 59: Israel - Freund und Alliierter? (Teil 2/2)

Quelle: 1. thehill.com, US should rethink its uncritical loyalty to Israel, 26.12.2023

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